Welche Ausdauermethode ist die Beste?

Eine verbesserte Ausdauerleistungsfähigkeit ist sowohl für Hobby- als auch für Leistungssportler ein lohnenswertes und häufig formuliertes Ziel. Auch aus gesundheitlicher Sicht gibt es viele Vorzüge. Doch mit welcher Methode komme ich am schnellsten ans Ziel? In zahlreichen Internetartikeln und Blogbeiträgen geben unterschiedliche Personengruppen ihre persönlichen Tipps zum Besten und neigen dabei häufig dazu, polarisierende Aussagen zu treffen.

Aufmerksamkeitserregende Überschriften wie „HIIT-Training besser als Cardio-Training“ bieten dem Leser ein bereits vorgefertigtes und undifferenziertes Narrativ: Es suggeriert, dass es eine bessere und eine schlechtere Ausdauermethode gibt.

In diesem Beitrag lösen wir uns von pauschalisierenden Meinungen und werfen einen vergleichenden Blick auf die Methoden des Grundlagenausdauer- und des hochintensiven Intervalltrainings (HIT) sowie deren tatsächliche Chancen aber auch deren Grenzen.


Beim Ausdauertraining - wie auch bei jedem anderen Training - geht es immer darum, zur richtigen Zeit die richtige Methode auszuwählen. Um sich der Frage nach der jeweils besten Methode anzunähern ist es notwendig, „hinter die Kulissen“ zu schauen und ein Verständnis dafür zu erlangen, was die Grundlagen und der Zweck von Ausdauertraining im Allgemeinen und der jeweiligen Trainingsmethode im Speziellen sind.

Ausdauertraining = Training der Energiestoffwechselwege

Ziel von Ausdauertraining sind einerseits die Aufrechterhaltung einer Belastung bzw. Intensität über einen längeren Zeitraum und andererseits eine bessere Erholungsfähigkeit nach einer Belastung.

Nun geht aus dieser allgemein formulierten Definition weder hervor, um was für eine Belastung es sich handelt, noch wie hoch die Intensität der Belastung ist.


Um das zu erfahren, muss man für die Energiestoffwechselwege genauer unter die Lupe nehmen und analysieren, was genau im Körper vor sich geht. Denn der Energiestoffwechsel sorgt dafür, dass entsprechend der jeweiligen Belastung genügend Energie (ATP = Adenosin-Tri-Phosphat) produziert wird. Der Energiebedarf wiederum hängt von der Intensität einer Belastung ab. Somit wird klar, dass bei unterschiedlichen Belastungen (z.B. für verschiedene Trainingsziele und in verschiedenen Sportarten) auch unterschiedliche Energiestoffwechselwege gefordert sind. Und genau an dieser Stelle unterscheiden sich die Trainingsmethoden.


Grundlagenausdauertraining (Cardio) = Training des aeroben Energiestoffwechsels

• niedrige Intensität und hohe Umfänge
• z.B. Dauerlauf bei 70-75% der maximalen Herzfrequenz.

Grundlagentraining sorgt u.a. für eine Verbesserung des Fettstoffwechsels, eine bessere
Kapillarisierung sowie die Vermehrung und Vergrößerung der Mitochondrien. In Summe führt dies zu einer verbesserten Durchblutung der Organe, wodurch der Muskulatur mehr Sauerstoff für eine bessere (längere) Leistungsfähigkeit bei submaximaler Intensität und eine bessere Regenerationsfähigkeit zur Verfügung steht.

Diese Methode eignet sich hervorragend sowohl für sportliche Einsteiger als auch für Gesundheits- und (Spitzen-)Sportler und kann als Grundlage jeglicher sportlichen Leistung angesehen werden.


HIIT = Training des anaerob-laktaziden Energiestoffwechsels

• Hohe (fast maximale) intervallartige Belastung.
• z.B. 4 x 4 Minuten bei 90-95% der maximalen Herzfrequenz, dazwischen 3 Minuten Pause.

HIIT führt zu Anpassungen im Herzen und Stimulus für Gefäßneubildung und kann auch Anpassungen des oxidativen Energiestoffwechsels hervorrufen, z.B. die Neubildung von Mitochondrien. Ein großer Vorteil gegenüber der Grundlagenmethode ist die Verbesserung der Laktattoleranz und -resistenz, was zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit bei wiederholten hoch intensiven Belastungen führt.

Dies ist insbesondere für Teamsportarten wie bspw. Fußball, Handball, Volleyball und Rückschlagsportarten wie bspw. Tennis, Badminton, Squash von großer Bedeutung. Allerdings gibt es bestimmte Voraussetzungen: Der Trainierende muss in der Lage sein, die hohen Belastungen
a) überhaupt leisten zu können und
b) diese für die Dauer der Intervalle (z.B. 4x4 Minuten) aufrechtzuerhalten.

Das kann durch gesundheitliche Probleme, einen schlechten Trainingszustand oder mangelnde sportliche Erfahrung verhindert sein.

Es gibt also auch Fälle, in welchen HIT nicht durchgeführt werden kann oder kontraproduktiv wäre.

Die dargestellte Theorie wird folgend an zwei kurzen Praxisbeispielen verdeutlicht:

Ausdauertraining im Teamsport:

Das teamsportspezifisches Anforderungsprofil ist gekennzeichnet durch ständige Wechsel von Handlungen, Intensität und Bewegungsarten. Ein Großteil dieser Aktionen wird mit hoher Intensität durchgeführt. Z.B. befindet sich ein Fußballspieler durchschnittlich über 50% der Spielzeit oberhalb der anaeroben Schwelle, d.h. er beansprucht den anaerob-laktaziden Energiestoffwechselweg.

Konsequenterweise ist das Training dieses Stoffwechelweges ein wichtiger Teil von fußballspezifischem Training. Per Definition (s.o.) ist HIIT hierfür prädestiniert.

Parallel dazu kann jedoch auch das niedrigintensive Grundlagentraining einen wichtigen Beitrag für die Ausdauerleistungsfähigkeit von Teamsportlern leisten. Dies basiert auf der Erkenntnis, dass je besser der aerobe (insb. der Fett-)Stoffwechselweg trainiert sind, desto länger kann der Spieler in Spielphasen mit niedriger Intensität davon „zehren“ und desto schneller kann er sich von Phasen hoher Intensität erholen und somit seine Kohlenhydratspeicher schonen. Die eingesparten Kohlenhydrate stehen ihm folglich für die intensiven Spielphasen und Aktionen zur Verfügung. … und diese sind häufig
matchentscheidend!

Ausdauertraining mit dem Ziel der Gewichtsabnahme

In diesem Zusammenhang wird häufig - richtigerweise - erwähnt, dass mit der HIIT-Methode mehr Kalorien verbrannt werden können.
Bei niedrigintensivem Training ist zwar der prozentuale Fettstoffwechselanteil am Energieumsatz am höchsten. Allerdings ist der absolute Energieumsatz - und somit auch die Fettflussrate - relativ gering. Somit kann ein Training mit hohen Intensitäten gewinnbringend sein, um die Gesamtzahl verbrannter Kalorien und die Fettflussrate hoch zu schrauben. Allerdings gibt es auch hierbei ein

ABER:

1. Wie bereits oben erwähnt muss die trainierende Person zuerst einmal in der Lage sein, hohe Intensitäten „auszuhalten“, was bei übergewichtigen Personen mit einem niedrigen
Trainingszustand nicht garantiert werden kann. Ein Grundlagentraining ist jedoch mit den
meisten Personen und Zielgruppen möglich.

2. Ein Grundlagentraining kann generell weiterhelfen, indem es zur nachhaltigen Verbesserung des Fettstoffwechsels beiträgt und diesen optimiert.

Somit kann es sowohl für die Gewichtsabnahme als auch beim teamsportspezifischen Ausdauertaining empfehlenswert sein, beide Methoden parallel anzuwenden!

Fazit:

In der Bewertung der Grundlagenausdauer- und der HIT-Methode gibt es folglich keine bessere oder schlechtere Methode!
Vielmehr zeichnet sich ein guter Trainer dadurch aus, zur richtigen Zeit die richtige Methode für das jeweilige Trainingsziel auszuwählen. Und dieses wiederum ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie bspw. dem Gesundheits- und Trainingszustand.

Konsequenterweise sollten also vor der Trainingsplanung eine ausführliche Anamnese sowie mindestens ein für die jeweilige Zielgruppe geeignetes Testverfahren durchgeführt werden. Nur dann kann der Trainer einen individuellen und erfolgsversprechenden Trainingsplan für seinen Kunden schreiben und sich dadurch von der pauschalisierenden Masse abheben!

Also: Nicht entweder oder, sondern sowohl als auch.






von

Zurück