Vorfuß, Mittelfuß oder Rückfuß – was ist richtig oder falsch?
Die Landephase wird im Laufsport kontrovers diskutiert. Über viele Jahrzehnte liefen die Menschen einfach wie sie wollten, ohne darüber nachzudenken, was richtig oder falsch ist. Aufgrund der zunehmenden Verletzungsrate im Laufsport und gut gefüllter orthopädischer Wartezimmer mit Läufern haben einige Experten einen Vorstoß in Richtung Vorfußlaufen gewagt und diesen mit einer geringeren Verletzungsrate bei Läufern propagiert. Dr. Ulrich Strunz beschrieb einen leichten, tänzelnden Laufstil, mit dem jedermann Marathon laufen könnte. Das Resultat war, dass blutige Anfänger und langjährige Couchpotatoes die Laufschuhe schnürten und auf dem Vorfuß hüpfend durch die Gegend liefen. Das blieb jedoch nicht das einzige Ergebnis. Die Anzahl der Wartenden beim Orthopäden wurde nicht weniger: Muskelfaserrisse, Wadenverhärtungen, Schienbeinkantensyndrom (medizinisch: Shin Splint) und mehr waren die Folgen eines Trends. In Medizinerkreisen wurden die Folgen des Vorderfußlaufens auch als Morbus Strunz bezeichnet. Heute ist von Dr. Strunz diesbezüglich nichts mehr zu lesen.
Dr. Matthias Marquardt war in Deutschland der Zweite, der das Vorfußlaufen propagierte. Jedoch mit einem viel gründlicheren Ansatz. Seine Arbeit beruhte auf der ausführlichen Recherche der Literatur gepaart mit dem medizinischen, sportlichen und biomechanischem Wissen um die Laufbewegung. Seine Idee war, das Laufen völlig neu zu erlernen. In kleinen Schritten wurde ein Neuaufbau der Lauftechnik mit solidem Krafttraining, Lauftechniktraining und kurzen Laufeinheiten begonnen. Die Zeitdauer dafür wurde mit mindestens sechs Monaten veranschlagt.
Die Läufergemeinde ist auch den Versprechungen von Dr. Marquardt mehr oder weniger erfolgreich gefolgt. Problem an der Thematik ist, dass diese Umstellung Zeit braucht und die Voraussetzungen, die der Sportler mitbringt, nicht außer Acht gelassen werden dürfen. So spielt gerade die Anthropometrie (hier das Körpergewicht) und die orthopädische Belastbarkeit (Verletzungsanfälligkeit) eine entscheidende Rolle. Die koordinativen und bewegungstechnischen Voraussetzungen ebenso. Und ganz oben steht die Geduld, den Weg mit Höhen und Tiefen zu gehen. Einige Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Buchs „Natürlich Laufen“ zum Thema Vorderfußlaufen, von Dr. Marquardt als „natural running“ bezeichnet, hat auch er erkannt, dass diese Herangehensweise nicht optimal ist, um die Verletzungsrate im Laufsport zu reduzieren. Mit zunehmender Erfahrung entwickelte Dr. Marquardt ein wesentlich besseres Laufprinzip, das er „Vokuhila“ nannte. Vokuhila bedeutet: vorne kurz, hinten lang. Das heißt, dass der Fußaufsatz vorne im Bereich des Körperschwerpunktes erfolgen sollte und die Schrittlänge über das Abdruckbein hinten generiert wird. Inzwischen hat Dr. Marquardt das Standardwerk deutscher Laufliteratur, die Laufbibel, mehrfach überarbeitet. Darin werden den Sportlern sehr gute Hinweise zur Optimierung des Trainings gegeben. Die Basis stellen Kräftigungs-, Koordinations- und lauftechnische Übungen dar. Nur so kann der Weg hin zu einer besseren Lauftechnik gewährleistet werden. Darüber hinaus braucht es Zeit.
Die ganze Diskussion über Vor- und Nachteile bestimmter Lauftechniken basiert auf den Entwicklungen der Laufschuhindustrie. Immer mehr technische Errungenschaften werden in neue Schuhmodelle integriert, um das Laufen leichter, effizienter und schonender zu machen. Die Entwicklungen bis Ende der 90er-Jahre und Anfang der Jahrtausendwende gingen lediglich auf die Pronationsstützen (seitliche Stabilität) und bessere Dämpfungsmaterialien ein. Dass jedoch die Dämpfung das Übel der Laufverletzungen war, blieb lange Zeit unerkannt.
Die in den letzten Jahren aufgekommene Natural-Running-Welle basiert auf den Erkenntnissen der Weltklasseläufer aus Afrika, die ihre hohen Geschwindigkeiten zum Großteil über den Vorfußlaufstil generieren. Bei dieser Diskussion bleibt jedoch häufig unbeachtet, dass diese Läufer bereits seit ihrer Kindheit barfuß laufen, sich damit die Fußmuskulatur entsprechend entwickelt und der Körper an die Belastungen gewohnt ist. Weiterhin sind auch hier anthropometrische Faktoren wichtige Erfolgsfaktoren. Die mitteleuropäische Bevölkerung, die von klein auf an Schuhe gewöhnt ist, einen von Industrialisierung geprägten Lebensstil lebt und deren Füße biomechanisch nicht ideal ausgebildet sind, ist, was das Vorfußlaufen angeht, nicht optimal darauf ausgelegt.
Wer eine gut ausgeprägte Rumpfstabilität, eine solide Kraftbasis und einen technisch-koordinativ guten Laufstil zeigt, wird während des Trainingsprozesses den Laufstil unbewusst weiter verändern und anpassen und so sein individuelles Optimum erreichen.
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