Verhaltenstherapie
Viele Techniken aus dem Coaching kommen aus der Verhaltenstherapie. Während der tiefenpsychologische Ansatz von einem intrapsychischen Konflikt zwischen Über-Ich, Es und Ich (Instanzenmodell nach Sigmund Freud) ausgeht und die daraus entstehenden Neurosen eher in der Vergangenheit sucht, arbeiten Paradigmen wie der systemische und die verhaltenstherapeutische Therapie eher im Hier und Jetzt.
Die Verhaltenstherapie ist im Gegensatz zu den anderen therapeutischen Ansätzen recht handfest. Sie arbeitet mit den Klienten direkt an ungünstigen Verhaltensmustern – und das auch mal am Ort des Schreckens (zum Beispiel bei Höhenangst).
Der verhaltenstherapeutische Ansatz geht davon aus, dass seelische Probleme aufgrund von erlerntem Fehlverhalten entstehen, welches den Ursprung meist in der frühen Kindheit hat. Aber auch im weiteren Verlauf des Lebens können ungünstige Verhaltensmuster entstehen.
So geht man davon aus: Was einmal erlernt wurde, kann man auch wieder verlernen.
Aber wie funktioniert eigentlich Lernen?
Es gibt drei Modelle, die das menschliche Lernverhalten erklären:
- klassische Konditionierung
- operante Konditionierung
- Modelllernen
Die klassische Konditionierung
Fast jeder hat in seinem Leben schon einmal etwas über den Pawlowschen Hund gehört. Iwan Pawlow(1849-1936) ist sozusagen der Begründer der klassischen Konditionierung. Er studierte das Verhalten von Hunden, die beim Anblick von Futter mit vermehrtem Speichelfluss reagierten. Da dies eine angeborene Reaktion auf Nahrung ist, spricht man von einem unkonditionierten Stimulus/Reiz (Futter) und einer unkonditionierten Reaktion (Speichelfluss).
Pawlow setzte zur Konditionierung gleichzeitig und wiederholt zur Futtergabe einen Glockenton ein. Der Glockenton allein hat bei keinem Hund Speichelfluss zur Folge und ist daher zunächst ein neutraler Reiz. Bei längerem Einsatz des Glockentones während der Futtergabe stellte Pawlow fest, dass der vermehrte Speichelfluss bei den Hunden allein durch die Glocke ausgelöst wurde. Der neutrale Reiz wurde zu einem konditionierten Stimulus/Reizund die Reaktion der Hunde zu einer erlernten, konditionierten Reaktion.
Diesen Lernprozess nennt man klassische Konditionierung. Sie funktioniert auch bei Menschen. Jedoch spielen hier innerpsychische Aspekte (Kognitionen), die auf das wahrnehmbare Verhalten modifizierend einwirken, eine große Rolle.
Wie funktioniert klassische Konditionierung beim Menschen?
Wie entsteht zum Beispiel eine Spinnenangst beim Menschen?
Die Spinne ist grundsätzlich nicht gefährlich (sofern es sich nicht um eine giftige Spinne handelt). So ist die Spinne ein neutraler Reiz/Stimulus, der nicht zwangsläufig an eine Angstreaktion gekoppelt ist.
Kopplung bedeutet, dass sich im Gehirn neue Verknüpfungen zwischen Nervenzellen (neuronale Autobahn) gebildet haben: Der neutrale Reiz (Spinne) ist mit der Reaktion Angst verbunden. In dem oberen Fall war der neutrale Reiz (Spinne) so stark, dass nur ein Erlebnis ausreichte, um die Verknüpfung auszulösen. Es kommt zu einer Reizgeneralisierung: Angst vor Spinnen und letztendlich vor allen Krabbeltieren.
Hinweis Bei der klassischen Konditionierung kommt es immer zur Kopplung zweier Reize. |
Diese Kopplung ist aber auflösbar, also wieder verlernbar, wenn man den Klienten zum Beispiel in der Therapie während der Konfrontation mit einer Spinne feststellen lässt, dass nichts Furchtbares passiert und das Angstgefühl nachlässt.
Operantes (oder instrumentelles) Konditionieren
Burrhus Skinner (1904-1990) entdeckte, dass die Auftretenshäufigkeit und Verfestigung eines Verhaltens durch Belohnung und Bestrafung beeinflusst wird: Welche Konsequenz hat ein bestimmtes Verhalten? Im Gegensatz zu der klassischen Konditionierung, die auch zufällig entstehen kann, kann man die operante Konditionierung bewusst zur Verhaltensmodifizierung einsetzen.
Reize, die die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens erhöhen, nennt man bei dieser Form Verstärker:
- positive Verstärker
- negative Verstärker
- indirekte Bestrafung
- direkte Bestrafung
Positive Verstärker
Das Verhalten wird unmittelbar durch einen angenehmen Reiz belohnt und somit verstärkt.
Beispiel Ein Kind erhält ein Stück Schokolade, weil es den Tisch gedeckt hat. |
Negativer Verstärker
Das Verhalten wird verstärkt, weil es keinen unangenehmen Reiz zur Folge hat. Dies funktioniert durch die Vermeidung des unangenehmen Reizes.
Beispiel Eine Frau mit Angst vor Fahrstühlen vermeidet das Fahren mit Fahrstühlen und benutzt ausschließlich die Treppe. Der negative Reiz (Angst) fällt weg, aber das Verhalten und die Fokussierung (Vermeidung von Fahrstühlen) werden verstärkt. |
Indirekte Bestrafung
Ein Verhalten fällt weg, wenn positive Verstärker wegfallen.
Beispiel Ein Kind, das durch Gequengel stets Zuwendung von der Mutter erreicht hat, wird dieses Verhalten ablegen, wenn es keine Zuwendung mehr erhält. |
Direkte Bestrafung
Folgt auf unangemessenes Verhalten unmittelbare Bestrafung, kommt es zur Abnahme des Verhaltens.
Modelllernen
Albert Bandura stellte den Aspekt des sozialen Lernens in den Vordergrund und entwickelte das Konzept des Modelllernens. Dabei lernt der Mensch, indem er Idole und Vorbilder (Bezugspersonen, Gleichaltrige und ähnliche) beobachtet und kopiert. Auf diese Weise können ebenfalls Ängste entstehen: Wenn eine Mutter während eines Fluges stets in Panik gerät, kann auch das Kind daraufhin eine Flugangst entwickeln.
Kognitive Verhaltenstherapie
Bei diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass das menschliche Verhalten durch Gedanken, Gefühle und Wahrnehmung (Kognition) gesteuert wird. Die kognitive Therapie beschäftigt sich damit, die zu einem ungünstigen Verhalten gehörenden Kognitionen zu entschlüsseln, zu entkräften oder umzugestalten.
Mögliche Techniken sind:
- Rational-Emotive Therapie nach Ellis (hier im Lehrskript als ABC-Modell beschrieben)
- Kognitive Therapie nach Beck (Kognitive Fehler, im Lehrskript beschrieben)
- The Work nach Byron Katie (ebenfalls in diesem Lehrskript beschrieben)
Interventionstechniken der Verhaltenstherapie
Nicht alle Interventionstechniken sind für Stressbewältigungsberater interessant; manche sind nur von ausgebildeten Therapeuten anwendbar. Sie sollen lediglich der Vollständigkeit halber vorgestellt werden. Die für Sie interessanten Techniken werden ausführlicher beschrieben.
Folgende Interventionstechniken werden in der Verhaltenstherapie eingesetzt:
Konfrontationsverfahren
- systematische Desensibilisierung (schrittweise Heranführung an die angstbesetzte Situation)
- Flooding (direkte Konfrontation)
- Expositionsverfahren (Exkursionen zu den Orten des Schreckens)
Operante Verfahren
Aufbau von gewünschtem Verhalten, Abbau von unerwünschtem Verhalten.
Kognitive Verfahren
zum Beispiel ABC-Modell nach Ellis
- Kompetenzentraining
- Problemlösestrategien
- Modelllernen
- Rollenspiel
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