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psychologische Stressmodell nach Lazarus

Das transaktionale Modell nach Lazarus (1922-2002) ist ein Grundmodell, das man wie eine Landkarte nutzen kann. Es beinhaltet die umwelt- und personenbezogenen Einflussfaktoren auf die Stressreaktion.

Nach Lazarus entscheiden

  1. die subjektive kognitive Bewertung der Person und deren Interpretation ihrer Konstellation mit der Situation und
  2. die zur Verfügung stehenden Bewältigungsressourcen,

ob ein Reiz zu einem Stressor wird.

Stresssituationen sind demnach „komplexe und dynamische Interaktions- und Transaktionsprozesse zwischen den Anforderungen der Situation und dem handelnden Individuum“

Greif, 1991, S. 9 

Die Grundannahme dabei ist, dass Personen über unterschiedliche Bewältigungsstrategien und -kompetenzen verfügen und deshalb Anforderungen unterschiedlich bewerten.

Anhand der folgenden Abbildung wird dieser Transaktionsprozess nach Lazarus näher erklärt.

Lexikon | Das transaktionelle Stressmodell

Das transaktionelle Stressmodell

Wie in der Abbildung dargestellt, muss zwischen den umweltbedingten, externen (Situation) und den internen (Person) Anforderungen unterschieden werden. Die Situation stellt die Rahmenbedingungen fest, den Umfang der Anforderung, die Spielräume und das soziale Netzwerk, das zur Verfügung steht. Die Person stellt die psychische Konstellation dar (vergleiche auch die 3 Ebenen des Stressgeschehens aus Kapital 1.4 Wie entsteht Stress?), die internen Ressourcen sind Motivation, Fähigkeiten und Gefühle.

Unter diesen beiden Aspekten (Situation/Person) findet eine primäre Bewertung (primary appraisal) statt:

Lexikon | Die primäre Bewertung

Die primäre Bewertung

Die primäre Bewertung bezieht sich auf die Bedeutung der Ereignisse für das Wohlbefinden der Person. 

Die Bewertung eines Ereignisses als irrelevant bedeutet, dass eine Situation zwar die Aufmerksamkeit erweckt, jedoch weder Bedrohung noch Belohnung zu erwarten sind. Es wird sich für die Person nichts ändern.

Eine günstige/positive Bewertung bedeutet, dass die Person das Ereignis mit einem guten Gefühl verbindet. Es sind keine Anpassungs- oder Bewältigungsmaßnahmen nötig.

Stressende Bewertung einer Situation tritt in drei Formen auf:

Schädigung/Verlust

Das meint eine bereits eingetretene Schädigung, körperlich (z. B. eine beeinträchtigende Verletzung) oder psychisch (Störung des Selbstwertgefühls oder der sozialen Anerkennung, Verlust einer wichtigen Person, erschüttertes Selbst- und Weltbild etc.)

Bedrohung

Diese betrifft eine Schädigung oder einen Verlust, der noch nicht eingetreten ist, aber droht. Als Bedrohung wird eine Situation beschrieben, in der die Fähigkeiten der Person zur Bewältigung der Situation als nicht ausreichend bewertet werden. Die Folgen sind für die Person beeinträchtigend.Bei der Nichterreichung des Ziels droht eine Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls und vielleicht der Verlust der sozialen Anerkennung. Häufig vermischen sich auch Bedrohung und Verlust oder Schädigung, wie zum Beispiel bei dem Verlust eines wichtigen Menschen. Die Person muss nicht nur den Verlust verarbeiten, sondern sich auch mit den damit verbundenen zukünftigen Anforderungen auseinandersetzen.

In den ersten beiden Formen ist die Situation nicht kontrollierbar, und es wird eine Stressreaktion ausgelöst.

Herausforderung

Die Bewertung eines Ereignisses als Herausforderung sieht zwar die schwer erreichbare Bewältigung der Anforderung, aber antizipiert die damit verbundenen positiven Folgen und den Nutzen. Die Herausforderung wird als Chance gesehen. Die Situation ist kontrollierbar.

Die Bewertung bezieht sich auf sechs Wertekategorien. Persönliche Werte des Individuums, die betroffen sein können:

  • Selbstachtung und Ansehen (wie sehe ich mich selbst und wie sehen mich die anderen?)
  • moralische Werte (was halte ich für richtig, welche Überzeugungen habe ich?)
  • Ich-Ideale (wie will ich sein?)
  • Lebenssinn (wie kann ich mein Leben sinnvoll gestalten?)
  • andere Personen und ihr Wohlergehen (wie betrifft meine zielperspektive Personen meines Umfeldes, die mir wichtig sind?) und
  • individuelle Lebensziele.

Wie wir auf eine Situation reagieren, hängt mit unserer Selbsteinschätzung zusammen. Sind wir selbstsicher, wissen, dass wir über ausreichend Ressourcen und Kompetenzen verfügen, und verfügen über das Gefühl der Selbstwirksamkeit, so fällt die Bewertung positiv aus und wir freuen uns über die neue Aufgabe.

Traut man sich die Aufgabe nicht zu oder sieht eher ihre negativen Aspekte, so wird die Bewertung eher stressbezogen ausfallen.

In der parallel zur primären Bewertung ablaufenden sekundären Bewertung (secondary appraisal) findet eine Beurteilung der potenziellen Bewältigungsfähigkeit und -möglichkeit mit den vorhandenen Ressourcen statt. Auf dieser Basis wird die Bewältigungsstrategie (Coping) ausgewählt.

Stressbewältigung bedeutet für Lazarus, dass die Person entweder ihre Emotionen verändert oder die Situation, gegebenenfalls beides. Die Bewältigungsstrategien können entweder problem- oder emotionszentriert sein.

Bewältigungsstrategien

Problemzentriert

Emotionszentriert

  • Lösung des Problems
  • Interaktionsänderung
  • Zeit- und Selbstmanagement
  • Prioritätenverschiebung
  • Lebensstiländerung
  • Mobilisierung des sozialen Netzwerkes
  • Informationssuche
  • Ablenkung
  • Verleugnung
  • Relativierung durch sozialen Vergleich
  • Akzeptieren der Situation
  • Kompromisse
  • Entspannungstraining

Bewältigungsstrategien nach Lazarus

Die problembezogenen Bewältigungsformen haben zum Ziel, durch aktive Einflussnahme das Problem zu lösen. Dies kann zum Beispiel der Erwerb neuer Kompetenzen, Veränderung der Arbeitsstrategie und Ähnliches sein. Für diese Art der Strategien eignen sich kontrollierbare Situationen.

In unkontrollierbaren Stresssituationen, zum Beispiel bei einer lebensbedrohende Erkrankung oder einem Todesfall, ist der Einsatz von emotionsbezogenen Belastungsverarbeitungen die richtige Strategie, um das Selbstwertgefühl zu erhalten, ein Gefühl der Hoffnung zu geben und eventuell Zeit zu gewinnen. Die emotionsbezogenen Strategien wirken unmittelbar auf die Regulation von Gefühlen. Die Bewältigungsprozesse sind eher palliativ (schmerzlindernd, selbstberuhigend). So kann die Verleugnung eines Problems eine adäquate Copingstrategie sein. Sie ist eine Art Selbstschutz und kann in Form des Rückzugs oder der Rationalisierung helfen, das Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten und ein Gefühl der Hoffnung zu bewahren. Nach Lazarus wirkt die Verleugnung stabilisierend und verschafft Zeit, um andere Bewältigungsressourcen zu aktivieren. Wenn die Verleugnung andererseits eine notwendige Bewältigungsstrategie verhindert, so erweist sie sich als unproduktiv.

„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Gelassenheitsgebet, Urheber ungewiss, vermutlich Reinhold Niebuhr

Nur weil sie Bewältigungsstrategien genannt werden, sagen sie noch nichts über den Erfolg aus. Auch Alkohol und Medikamente sind Copingstrategien. Momentan wirkende Strategien können sich als dysfunktional herausstellen.

Beispiel

Eine Person, die in Konflikten sehr aggressiv reagiert, hält sich die Widersacher erst einmal vom Hals. Aggressivität schreckt ab. Doch bringt diese Methode des Konfliktmanagement langfristig keine Lösung des Problems. Die Mitmenschen reagieren entweder mit Rückzug oder mit Gegenaggression. Eine konstruktive Lösung des Konfliktes ist allerdings nicht möglich.

Oder:

Alkohol und Medikamente wirken im ersten Moment selbstberuhigend, doch die Probleme werden nicht gelöst.

Um diese Veränderungen herbeizuführen, findet immer wieder eine Neubewertung (Reappraisal)der Anforderung durch Rückkopplungsschleifen statt. Durch eine kognitive Neubewertung der Transaktion kann Stress gemildert werden oder verschwinden.

Die Erfahrungen von Erfolg oder Misserfolg der Bewältigungsstrategien haben Auswirkungen auf unsere spätere Reaktion auf Anforderungen. So kann eine erfolgreich gemeisterte Bedrohung zukünftig als Herausforderung eingestuft werden oder eine zuvor als Herausforderung beurteilte Beanspruchung zu einer Bedrohung werden.

Hinweis

Die physiologische Stressreaktion wird durch die subjektive Bewertung einer Situation und die damit einhergehenden Gefühlen ausgelöst. Erfahrungen und erlerntes Verhalten bestimmen unser Denken, Handeln und Fühlen und beurteilen, ob eine Situation eine Gefahr darstellt.

 

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